Ein Bericht von Riekje Heuter (OSC/Team BEB)
„Nach einer Einladung zur Bewerbung durch die Deutsche Behindertensportjugend (DBSJ) reichte ich im Dezember 2015 meine Unterlagen ein. Hierzu musste ich ein Bewerbungsschreiben verfassen, in dem ich meine Persönlichkeit vorstellte und darlegte, welche Motivation ich für die Teilnahme am Jugendlager hatte. Zusätzlich mussten alle Bewerber ein Bewerbungsvideo erstellen. Hierbei haben mir mein Schwimmteam, meine Trainerin und meine Familie geholfen, und das Video war sicherlich der witzigste Teil der Bewerbung. Ich hatte Glück und erhielt die Zusage Anfang des Jahres. Alle Teilnehmer wurden im Mai nach Köln zu einem Vortreffen eingeladen. Mit dabei waren auch meine Kaderkollegin Aileen Reinstein (VfL Wolfsburg) und unser Landestrainer Lukas Niedenzu, der als Betreuer das Jugendlager begleitet hat.
Am 5. September ging es dann endlich los. Wir starteten von Frankfurt und waren nach zwölf Stunden Flug in Rio. Mit Bussen wurden wir zu unseren Apartments gebracht. Abends ging es mit einer Einladung ins Deutsche Haus los. Dort wurde der Fahnenträger Markus Rehm vorgestellt, und wir bekamen die Chance, mit einigen Athleten zu sprechen. Am nächsten Tag haben wir die Eröffnungsfeier besucht. Dies war mit das eindrucksvollste Erlebnis. Das Besondere daran war der Einlauf des paralympischen Feuers. Eine ehemalige Spitzensportlerin stürzte dabei, woraufhin das gesamte Stadion zu klatschen und zu jubeln begann, bis sie ihr Ziel erreicht hatte. Sie sitzt eigentlich im Rollstuhl und hat damit gezeigt, was wir Menschen mit Behinderung jeden Tag aufs Neue versuchen: Alles allein schaffen und nur Hilfe annehmen, wenn wir auch wirklich darauf angewiesen sind.
An den darauffolgenden Tagen haben wir Wettkämpfe wie Judo, Tischtennis, Reiten, Leichtathletik, Rollstuhlbasketball und Schwimmen gesehen. Wir wurden auch vom österreichischen Jugendlager in dessen Haus eingeladen. Im deutschen Pavillon, der direkt am Strand lag, haben wir abends auf einer Leinwand den Film „Gold“ geschaut. Auch haben wir die Christusstatue besichtigt und ganztägig die Stadt erkundet. An zwei Tagen waren wir in verschiedenen Einrichtungen für Kinder, die in Favelas leben. Dort haben wir mit den Kindern gespielt und uns an Sportarten wie Sitzvolleyball und Rollstuhlbasketball versucht.
Am Ende des Jugendlagers ging es natürlich zur Abschlussfeier, die hauptsächlich aus Vorführungen von nationalen Sängern und Sängerinnen Brasiliens bestand. Sehr traurig war der Abschied am Flughafen von Frankfurt, da wir als Gruppe sehr zusammengewachsen waren.
Die Zeit in Rio hat mir gezeigt, wofür ich jeden Tag aufs Neue den Weg zur Schwimmhalle mache, dass das harte Training einen Grund hat und es sich lohnt so weiterzumachen. Allein das Schwimmstadion zu sehen, die Spannung und die Stimmung bei den Wettkämpfen zu erleben, hat mich für meine Zukunft hoch motiviert. Ohne die Unterstützung meiner Familie und ohne die problemlose Freistellung durch meine Schule hätte ich diese Möglichkeit nicht gehabt. Dafür bin ich sehr dankbar. Zusätzlich wurde ich mit einem Taschengeld vom BSN unterstützt.
In Rio habe ich viele Eindrücke gesammelt. Einerseits hat man gemerkt, dass die Leute dort viel offener, auch im Umgang mit behinderten Menschen, sind. Sie sind auf uns zugegangen, um Fotos zu machen oder einfach, um mit uns zu reden. Viele Einwohner haben gesagt, dass sich durch die Spiele einiges in der Stadt verbessert hat wie zum Beispiel die Präsenz der Polizei, aber auch Straßen und Wege. Wenn man jedoch weiter weg vom Geschehen war, hat man direkt gesehen, dass die Realität anders aussieht. Es gab teilweise keine gepflasterten Straßen, an jeder Ecke konnte man Bettler und obdachlose Kinder sehen.
Die Zeit in Rio hat mir klargemacht, wie die Menschen in diesem Landleben und wie sie täglich zu kämpfen haben. Wir hatten in Rio eine sehr schöne und eindrucksvolle Zeit, die ich nie vergessen werde.“
Fotos: Tino Hörbold